beA: Softwarefehler einfach auf den Anwalt abwälzen

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Seien wir doch mal ehrlich. Welcher Anwalt beschäftigt sich hauptberuflich mit IT Angelegenheiten? Nicht einmal ein IT Rechtler tut das in der Form in der es nötig wäre, um das beA System vollumfänglich zu begreifen und sinngemäß nach der Auffassung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) verwenden zu können. Ich frage mich, wie weit die BRAK diesen Irrsinn noch treiben möchte.

Ich schreibe ja regelmäßig über die absurdesten Fehler, die beA immer und immer wieder an den Tag legt. Von verschickten aber nie angekommenen Nachrichten (ohne Fehlermeldung versteht sich), von Fristverlängerungen sobald man eine Nachricht aus dem Papierkorb wiederherstellt, ach was gab es da nicht alles schon für lustige Probleme mit diesem bekloppten System.

Auch heute haben wir nach wie vor mehrere Anfragen sowohl an die BRAK als auch an ATOSS, den (noch) technischen Support von beA, laufen. Die BRAK redet nur noch über Anwälte mit mir, offenbar habe ich mit meinen letzten Artikeln insbesondere zur Frage der korrekten Java Lizenzierung irgend jemanden dort sehr empfindlich getroffen. ATOSS antwortet mir mittlerweile gar nicht mehr.

Am besten finde ich aber noch immer den beA Newsletter, direkt von der Bundesrechtsanwaltskammer. Der kommt mit einer vermeintlich locker-flockigen Art daher, dass man fast glauben möchte, alles sei „cool“.

Nachvollziehen kann ich leider selten, was da steht. Ich muss die Zeilen oft drei-, viermal lesen, bis ich verstehe, was überhaupt gemeint ist oder zwischen den Zeilen im Subtext zu erkennen sein soll. Und selbst dann bin ich manchmal nicht ganz sicher, wie ich das zu interpretieren habe.

In der heutigen Ausgabe geht es mal wieder um den Bug, bei dem Nachrichten zwar über beA verschickt werden und auch keine Fehlermeldung beim Versand erscheint, die Nachricht aber im Nirvana verschwindet. Dazu schreibt man nun:

Sie erinnern sich: Eine Berufungsschrift wurde als elektronisches Dokument über beA an das Berufungsgericht übersandt, kam dort aber niemals an. (…)

Nach gefestigter Rechtsprechung genüge ein Rechtsanwalt bei einer Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax seiner Pflicht zur Ausgangskontrolle nur dann, wenn er seine Angestellten anweise, anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und an den richtigen Empfänger erfolgt sei. Erst danach dürfe die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (BGH, Beschl. v. 24.1.2019 – 1 ZB 47/18 – Rn. 10 m.w.N.). Bei der Übermittlung mittels beA sei die Eingangsbestätigung zu prüfen. Ihr Ausbleiben müsse den Anwalt zur weiteren Überprüfung und ggf. erneuten Übermittlung veranlassen. In diesem Zusammenhang fordert das BAG sogar stichprobenweise Überprüfungen des Anwalts.

Obacht: Auch hinsichtlich der allabendlichen Fristenkontrolle vertritt das BAG eine sehr strenge Sicht. Danach müsse die ordnungsgemäße Versendung und der ordnungsgemäße Eingang jedes einzelnen Schriftsatzes bei Gericht nochmals selbstständig geprüft werden. Im Zweifel bedeutet das, dass zu jeder einzelnen eingetragenen Frist die Übertragungsprotokolle aufgerufen und geprüft werden müssen.

https://www.brak.de/zur-rechtspolitik/newsletter/bea-newsletter/2019/ausgabe-29-2019-v-592019/

Sendeprotokolle, auch im direkten Vergleich beim Fax-Versand. Hat den Leuten, die so etwas beschließen, eigentlich schon einmal jemand erklärt wie heute Fax-Versand funktioniert? Wir haben gar kein flächendeckendes ISDN-Netzwerk mehr in Deutschland in der Großteil aller Faxe wird gar nicht mehr Ende-zu-Ende verschickt. Insofern sind die heutigen Faxprotokolle von Grund auf das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind.

Aber zurück zum Thema. Es steht mir natürlich fern, als „IT’ler“ eine Rechtsberatung für Anwaltschaften zu geben. Aber so wie ich das lese entnehme ich dem Text nach mehrmaligem Lesen halt irgendwie doch recht eindeutig, dass der Anwalt bzw. die Kanzlei nicht nur wie bisher bekannt mehrfach täglich das Postfach im beA abzurufen hat – was aufgrund der permanenten stundenlangen und teils mehrtägigen Gesamtausfälle der beA Server gar nicht möglich ist; sondern eben auch noch jeden Abend alle Übertragungsprotokolle aufrufen und prüfen muss.

Spätestens an dem Punkt stelle ich nun ernsthaft zur Diskussion, ob eine „normale Assistenz“ überhaupt in der Lage ist, das alles durchzuführen und überhaupt Fehler festzustellen. Vor allem im Tagesgeschätf einer Kanzlei. Nun ist das kein technisches Problem sondern eine eher rechtlich geartete Fragestellung. Nichtsdestotrotz vertrete ich den Standpunkt – und das ist nur meine höchstpersönliche Meinung – dass, wenn ich schon ein rechtssicheres System zur sicheren und nachweisbaren Nachrichtenübermittlung einführe (ok, gab’s schon vor beA alles, aber irgendwie muss man da ja Millionen zum Fenster rauswerfen wenn man nicht weiß wohin damit), dann sollte das schon auch irgendwie rechtssicher und nachweisbar arbeiten.

Bei jeder neuen bekannt werdenden fehlerhaften Verarbeitung mit neuen Logdateien oder anderem Blödsinn anzukommen, die der Benutzer zu prüfen hat, also wirklich… es wird langsam mehr als absurd und weltfremd. Das ist mehr Rückschritt als Fortschritt.

Ist es wirklich die Auffassung des deutschen Gesetzgebers, dass ab sofort jede seit 40 Jahren als anwaltliche Assistenz arbeitende Halbtagskraft

  • jeden beA Newsletter liest, durcharbeitet und versteht,
  • ständig sich ändernde technische Vorraussetzungen und Zusammenhänge bewerten kann,
  • hundertschaften an Seiten von Anwendungshandbüchern durcharbeitet,

…und das alles nur, seien wir doch mal ehrlich, um die Funktion eines Faxes oder Einschreibens auf „moderne“ Art und Weise zu ersetzen?

Wenn die BRAK so weitermacht, dann wird beA niemals die Akzeptanz finden, wie man es sich erhofft.

Just my two cents.

patrick.ruppelt