Nuance Dragon: Paradebeispiel für schlechte Software und noch schlechteren Support

Wenn man Glück hat, funktioniert die neue Software länger als drei Monate. Wenn man Pech hat, muss man dann schon wieder eine neue kaufen oder zumindest alles neu installieren. Sofern der Hersteller nicht beschließt, sie komplett vom Markt zu nehmen.

Lesedauer: 10 Minuten

Wer als Mac-User in jüngster Zeit begeistert die Beschreibungen auf der Nuance Webseite durchstöbert hat, der kann schon auf die Idee kommen, dass Spracherkennungssoftware eine ganz feine Sache ist. Steht doch da immerhin

Vorhang auf für das komplett überarbeitete Dragon Professional Individual für Mac Version 6. Eine Spracherkennungsengine der nächsten Generation mit Deep-Learning-Technik ermöglicht Diktieren und Transkribieren in höchster Genauigkeit. Dragon ist optimal anpassbar und bietet praktische Mobilfunktionen – damit Sie auch unterwegs produktiv arbeiten können.
Neue Version ab 299 €

https://www.nuance.com/content/nuance/sites/de-de/dragon/dragon-for-mac/software.html

299,- € sind nun nicht gerade wenig für ein Stück Software, aber der Produktivitätsgewinn beim Arbeiten kann das für einen Vielschreiber absolut wett machen. Aus zwei verschiedenen Versionen, passend zum jeweiligen Einsatzzweck, kann der Benutzer wählen. Ein Upgrade für bestehende Nutzer der Vorgängerversion gibt es natürlich auch.

Wäre nur praktisch, wenn man diese Produkte auch bestellen könnte. Da hat wohl das Marketing noch gar nicht mitbekommen, dass der Hersteller den Vertrieb für die Mac-Version nach jahrelangen Querelen endlich eingestellt hat. Bei Klick auf egal welche Version, landet man immer auf einer Fehlerseite:

https://shop.nuance.de/store/nuanceeu/de_DE/Content/pbPage.ServerErrorPage/pgm.94913000?

Auf der Fehlerseite werden alternative Produkte vorgeschlagen. Eine Mac-kompatible Spracherkennung sucht man hier jedoch vergebens. Kein Wunder, beworben wird die Software zwar nach wie vor. Muss wohl gut für die Investoren sein (gerade erst wurden Nuance PDF Produkte von KOFAX übernommen, irgend etwas ist da wohl im Gange). Aber Vertrieb und Service wurden im Oktober letzten Jahres bereits vollständig eingestellt, wie Macwelt berichtet.

Sehr gut erkennen lässt sich in diesem Zusammenhang, wie viel Nuance eigentlich von Kundensupport hält: nichts. Hat der Kunde einmal überteuerte Software gekauft, interessiert sich Nuance dafür nicht mehr.

Dem Unternehmen geht es wirtschaftlich sicherlich nicht schlecht. Es ist für uns deshalb nicht nachvollziehbar, wie man im Oktober 2018 noch Business-Software für 300,- € verkaufen kann (wobei dieselbe Software für Windows Rechner gleich mal 100,- € weniger kostet) und dann den Support auch für Neukunden einfach einstellen kann. Es gibt keine Updates mehr, auch nicht für diejenigen, die gerade erst das Produkt gekauft haben.

Äußerst bezeichnend für unqualifizierten Support sind die Aussagen, die wir in den letzten Jahren wieder und immer wieder vom Herstellersupport für Nuance Dragon Produkte erhalten haben. Um nichts zu verfälschen, möchte ich meine abschließende Anfrage zur Klarstellung des Sachverhalts ausnahmsweise in voller Länge abdrucken:

Hallo zurück,
danke für die Information, die ich aber nicht nachvollziehen kann. Handelt es sich hier um eine rein vertriebliche Einschränkung, sprich gibt es einfach keinen Support hierfür wenn es ein Problem gibt weil das die Lizenzpolitik von Dragon ist und man Kosten sparen möchte? Dann muss ich das akzeptieren.

Aus technischer Sicht ist das für mich aber völlig unverständlich, denn:
– Dragon for Mac 5 nutzen wir beim Kunden auf insgesamt 6 Macs.
– Alle 6 Macs laufen auf Sierra.
– Auf keinem der Macs gab es mit Dragon for Mac 5 Probleme. Auch der betroffene hat monatelang einwandfrei funktioniert.
– Nur auf diesem einem gibt es seit kurzem genau dieses Problem, das ganz offensichtlich ein reines Dragon-Softwareproblem ist (das Headset funktioniert ja unter allen anderen Anwendungen).

Wir hatten solch einen Fall in der Vergangenheit bereits schon einmal. Aus lauter Frust hat unser Kunde dann alles von Dragon neu gekauft und nun treten schon wieder solche Probleme auf. Es ist nicht zufriedenstellend, dass es von Nuance immer nur Ausflüchte gibt, dass man einfach alles neu kaufen solle.

Ich muss Ihnen sagen, ich selbst war auch einmal Dragon for Mac Benutzer und habe irgendwann aufgegeben, nach jedem Mac Update eine neue Dragon Version zu kaufen. Das kann doch nicht der Sinn der Sache sein, dass der Kunde mit jeder neuen Mac Version seine teure Dragon Ausstattung wegschmeißen und quasi jedes Jahr einmal alles neu kaufen muss.

Was gibt es für Alternativen? Gibt es Mietlizenzen die sich automatisch aktualisieren? Gibt es mittlerweile endlich Mac Upgrade-Lizenzen für bestehende Benutzer? Kann ich ggf. das „Dragon Professional Individual für Mac Version 6 Upgrade“ verwenden oder ist die „Individual“ hier nicht zutreffend?


Was kann ich im vorliegenden Fall sonst noch unternehmen? Die Information an den Kunden, er kann zum zweiten Mal alles neu kaufen und wird das nächstes Jahr schon wieder tun müssen ist nicht zufriedenstellend.


Mit freundlichen Grüßen
Patrick Ruppelt

Schreiben vom 23 Aug 2017

Die schriftliche Stellungnahme von Nuance ließ nur wenige Minuten auf sich warten:

(…)


Sie haben die Möglichkeit, wie Sie bereits angesprochen haben, ein [kostenpflichtiges] Upgrade auf Dragon Professional Individual 6 durchführen. Dieses Programm ist kompatibel mit Sierra und funktioniert.
 
Beachten Sie, dass Sie ein 30-tägiges Rückgaberecht haben, wenn Ihnen das Programm nicht gefällt und Sie das Programm im Shop auf der Nuance-Webseite kaufen.


(…)
Nuance Technischer Support

Schreiben vom 23 Aug 2017

Auch hier ganz interessant der Vermerk, dass man statt ein technisches Problem zu lösen lieber das Geld zurück zahlt. Ich meine hallo, es ging ausschließlich darum, dass das original Nuance Bluetooth Headset in Dragon nicht erkannt wurde; in allen anderen Anwendungen aber schon.

Das Ganze „Geld zurück statt Service“ Gedöns funktioniert natürlich mit einer wesentlichen Einschränkung: nämlich nur dann, wenn der Endkunde im Shop bei Nuance direkt bestellt und nicht über einen Vertriebspartner bzw. den Fachhandel. Der Fachhandel soll also die Fehler bearbeiten und den Endnutzer vom Hersteller fern halten, aber am Verkauf verdienen darf der Fachhändler nicht einen einzigen Cent. Nuance, so funktioniert der Channel nicht.

Es muss wohl auch im Supportleitfaden von Nuance stehen, dass der Kunde generell immer die neuestes Version kaufen muss. Mit der Mac-Version hat sich das aber nun ohnehin erledigt, da hat der Hersteller immerhin schonmal den Kürzeren und damit die Konsequenzen aus dem Fiasko gezogen hat.

Jetzt müssen wir als IT Dienstleister also nur noch darauf hoffen, dass Nuance auch endlich die Windows Software abkündigt. Die hat aber eine sehr große Nutzerzahl und so müssen wir wohl damit leben, dass das so schnell nicht passieren wird. Wäre die Windows Software nur irgendwie etwas besser. Leider auch hier das gleiche Spiel: wir haben aufgehört zu zählen, wie oft wir Dragon mittlerweile auf PCs einfach neu installiert haben. Die Software ist so unfassbar schlecht programmiert, dass sie alle paar Monate den Dienst quittiert und nicht mehr funktioniert.

Das Problem ist bekannt. Eigentlich gibt es ein Update, das diverse Probleme beheben soll. Auf der Hersteller-Webseite steht:

Update-Anweisungen


Sie können von den folgenden Versionen auf Dragon Version 15.4 aktualisieren: 15, 15.1, 15.2, 15.3


Um ein Update auf Version 15.4 durchzuführen, müssen Sie Ihre vorherige Version von Dragon nicht deinstallieren, bevor Sie die neue Version installieren. Version 15.4 ist ein Service Pack, bei dem der Installationsvorgang Ihre neue Version automatisch installiert.

(…)

Dragon aktualisieren – Service Pack


1. Gehen Sie folgendermaßen vor, um Dragon zu aktualisieren:
Sie können das Service Pack 15.4 über das Nuance Netzwerk-Portal erhalten.

2. Schließen Sie alle offenen Programme.

(…)

https://www.nuance.com/products/help/dragon154/dragon-for-pc/deu/dpg-vla/Content/ReleaseNotes/DG_relnotes_15_4.htm

Da dachte ich dann tatsächlich, zum ersten Mal hätte der Hersteller gelernt und würde endlich mal ein Update zu einer funktionierenden Software – kostenfrei – zur Verfügung stellen.

Auch hier hatte ich mich geirrt, bei den Downloadslinks dreht man sich schlussendlich nur im Kreis von deutschem zu englischem und wieder zurück zum deutschen Herstellersupport. Von so etwas lassen wir uns aber natürlich nicht abwimmeln und haken so lange nach, bis wir etwas schriftliches vorliegen haben das wir auch unserem Kunden zeigen können. Und auch in diesem Fall habe ich, wenngleich ich das kaum glauben mag, eine schriftliche Stellungnahme bekommen:

(…)

Leider erhalten Sie den Service Pack nur, wenn Sie Business 2 Business Partner sind. Anderfalls können Sie sich auch mit unserem Verkauf (…) in Verbindung setzen.

(…)

Schreiben vom 24 Juli 2019

Ich wollte nur einem Kunden helfen, der sich zum neuen Jahr dazu durchgerungen hatte, doch noch einmal einen Versuch mit Dragon zu starten. Innerhalb von einem halben Jahr mussten wir nun bereits zum dritten Mal Dragon neu installieren – nur auf diesem einen PC.

Wäre natürlich schön, wenn wir dazu die neueste Software-Version nehmen könnten, in der der eigentliche Fehler vielleicht behoben wurde. Aber die bekommen wir nicht, weil wir keine vielen Tausend Installationen betreuen sondern eben nur ein paar davon.

Immerhin ist es gut zu wissen, dass man Nuance Dragon „nur“ einfach nochmal komplett über die aktuelle Installation drüberbügeln muss. Und schon funktioniert in der Regel alles wieder.

Für den Hersteller jedoch ist das ein absolutes Armutszeugnis.

Einzige wirkliche Alternative: auf einen Anbieter wie 4Voice setzen, der zwar auch Dragon als Basis verwendet, aber eigene Frontend-Programme anbietet, die z. B. unabhängig von Windows- und/oder Office-Updates funktionieren und damit wesentlich zuverlässiger laufen. Aber ehrlich, besser ist da auch nicht alles. 4Voice funktioniert z. B. nur mit Abschaltung der UAC (Sicherheitsfunktion von Windows), es werden gigabyteweise Dateien über Netzwerk kopiert, bei mobiler Verwendung darf der Benutzer ständig Fehlermeldungen wegklicken. Das ist mindestens genau so unverständlich und unprofessionell. Es gibt auf dem Markt der Texterkennung offenbar nichts, das ich guten Gewissens empfehlen kann.

patrick.ruppelt